Interview Göhler u Hackstein

Expert*inneninterview Hanna Göhler und Nils Hackstein 

Hanna Göhler und Nils Hackstein

Alles divers?

Wie vielfältige Perspektiven zum Erfolg führen

Der Umgang mit Vielfalt – im Unternehmenskontext oftmals gefasst unter dem Begriff Diversity Management – wird auch für kleine und mittlere Unternehmen immer wichtiger. Dabei fällt auf, dass es überraschende Parallelen zur digitalen Transformation gibt: Beide Entwicklungen betreffen zentrale Prozesse in der Struktur und Kultur von Unternehmen und bieten damit zahlreiche Chancen. Warum eine Auseinandersetzung mit dem Thema erfolgsversprechend ist, erläutern Hanna Göhler von digital habitat und  Nils Hackstein von der IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung .

Was haben Diversität und Digitalisierung miteinander zu tun?


NH: Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Technologie einen vorurteilsfreien Umgang ermöglicht und in vielen Beispielen ist das vielleicht auch der Fall. Letztlich werden jedoch auch digitale Tools oder Software von Menschen erstellt und damit Vorurteile oder Stereotype weiter reproduziert. 

HG: Wenn Unternehmen beispielsweise Bewerbungssoftware einsetzen, die künstliche Intelligenz nutzen, ist wichtig, dass Personaler*innen und Entscheider*innen wissen, wie diese Software funktioniert. Sonst kann es passieren, dass bestimmte Personengruppen von vornherein aussortiert werden, etwa, weil sie den vermeintlich falschen Schulabschluss haben, obwohl sich darunter die besten Talente befinden. 

Warum sollten Unternehmen sich mit Diversity Management und Digitalisierung beschäftigen?


NH: Aufgrund des Fachkräftemangels in Deutschland beschäftigen sich vermehrt auch kleine und mittlere Unternehmen mit diesem Thema. Es kann durchaus passieren, dass KMU den Mehrwehrt von Diversität nicht sofort erkennen – bis es mit einem Benefit verbunden ist, wenn beispielsweise die Beschäftigung mit kultureller Vielfalt im Unternehmen den eigenen Betrieb offener und attraktiver für neue Zielgruppen macht. So können neue Fachkräfte gefunden und gebunden werden, die sich sonst nicht angesprochen fühlen. 

HG: Neue technische Lösungen können die Bedarfe einer vielfältigen Belegschaft viel einfacher berücksichtigen als früher noch. Bezogen auf die Dimension Internationalität zum Beispiel gibt es teilweise frei zugängliche Übersetzungssoftware für die unterschiedlichen Sprachen, die in einem Unternehmen gesprochen werden. Auch Mitarbeitende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen können durch die Möglichkeit, ortsunabhängig (remote) zu arbeiten, besser teilhaben. Cloudbasiertes Arbeiten kann sich für das Thema Chancengerechtigkeit auszahlen, ganz unabhängig von einer bestimmten Diversitätsdimension. Durch echte Transparenz, Kollaboration und vielfältige Perspektiven können sich viele Menschen an Prozessen oder Inhalten beteiligen und fühlen sich besser mitgenommen. 

Was ist wichtig für ein wirksames Diversity Management im Unternehmen?


HG: Das Bewusstsein für die Relevanz des Themas ist wichtig, damit es gut umgesetzt werden kann. Die technologischen Veränderungen, die wir derzeit erleben, passieren in einem sozialen Kontext zwischen Menschen. Diversität ist menschlich und bildet den grundlegenden Rahmen für die digitale Transformation. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist, dass das Management die treibende Kraft ist, die Ziele und Motivationen aktiv kommuniziert und Budget und Zeit zur Verfügung stellt, und alle Mitarbeitenden einlädt sich zu beteiligen. 

NH: Insgesamt ist eine gewisse Offenheit und Empathie essentiell, ebenso wie eine Ambiguitätstoleranz, also, dass ich aushalten kann, wenn Situationen auch mal widersprüchlich oder mehrdeutig sind. In Deutschland z. B. ist es meist ein Zeichen des Respekts, anderen Menschen in die Augen zu schauen, während in anderen Kulturen im Umgang mit Autoritätspersonen das Gegenteil der Fall sein kann. Wie also etwa Höflichkeit oder Respekt ausgedrückt werden, hängt stark von unserer Sozialisation ab. In einem Unternehmen mit einer vielfältigen Belegschaft lädt Diversity Management dazu ein, sich dessen bewusst zu werden und sich darüber zu verständigen.


HG: Der Umgang mit Vielfalt ist Teil des lebenslangen Lernens. Diversity Management ist kein Projekt, sondern eher als eine Reise zu begreifen, die wir gemeinsam unternehmen und auf der wir voneinander lernen und Neues entdecken. 

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