Interview Hartwin u Rüdiger Maas

Expert*inneninterview Hartwin und Rüdiger Maas

Hartwin und Rüdiger Maas

Alles digital?

Ein Einblick aus der Generationen- und Zukunftsforschung

Insbesondere im Bereich Ausbildung treffen im Unternehmen täglich unterschiedliche Generationen aufeinander, die gemeinsam Zukunft schaffen (sollen). Was ist hierbei zu beachten, damit diese Zusammenarbeit gewinnbringend funktioniert? Wir haben nachgefragt bei Hartwin und Rüdiger Maas vom Institut für Generationenforschung.

Was unterscheidet verschiedene Generationen beim Thema Digitalisierung?


RM: Als Generationenforscher sehe ich einen grundsätzlichen Unterschied im Umgang mit Digitalisierung. Wir haben heutzutage eine jüngere Alterskohorte, die Digitalisierung nicht mehr wegdenken kann, weil sie nie eine Welt ohne Smartphone und Internet kennengelernt hat. Hierfür reicht die Fantasie nicht mehr aus. Das wäre so, als würden „Ältere“ versuchen, Schrift wegzudenken. Wir können uns schlicht eine Welt ohne Schrift nicht mehr vorstellen. Die Älteren sind mit Digitalisierung im Erwachsenenalter konfrontiert worden und wurden erst mit einer ausgereiften Persönlichkeit damit konfrontiert. Oft haben sie zudem den Drang, die digitale Welt verstehen zu wollen, während die Jüngeren diese Welt mittlerweile intuitiv bedienen. 

Gibt es diese Unterschiede auch beim Wissenstransfer?


RM: Auch hier crashen zwei Generationen aufeinander. Wir haben auf der einen Seite im Arbeitsleben die Generation, die sich sehr stark über Erfahrungswerte identifiziert und auf der anderen Seite die junge Generation, die dieses Erfahrungswissen kaum noch interessiert, da es für sie oft zu analog ist Sie können sich jederzeit in der digitalen Welt ein aktuelles Wissen heranziehen, das sie brauchen. Das Problem am Ende ist nur, dass man Wissen schlechter kombinieren kann, wenn es erst über Google oder Wikipedia nachgelesen werden muss. Wenn man dagegen schon einen bestimmten Wissensstand hat, fällt es leichter, auch komplexe Konstrukte zu reflektieren. 

HM: Das sagen wir auch in der Zukunftsforschung – Wissen muss im gewissen Sinne vorhanden sein, damit man es transferieren kann. Auch für das Stichwort Disruption, bei dem manche Geschäftsmodelle komplett neu gedacht werden, ist ein Vorwissen und der Transfer unabdingbar. Je weiter der Wissensradar aufgebaut ist, desto besser kann Wissen auch heruntergebrochen werden, um daraus letztendlich Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Da spielt zudem Kreativität eine wichtige Rolle und eben der Transfer von grundlegendem Wissen über Digitalisierung, das aber nun oft fehlt. 

Wie können wir Generationenunter-

schiede sinnvoll nutzen bzw. was müssen wir dabei beachten?


RM: Unternehmen sollten als Erstes verstehen, dass die Wahrnehmung der jeweiligen Generationen eine völlig andere sein kann. Jugendliche sind es z. B. gewohnt, viel mitentscheiden zu können und auch auf Fehler hinzuweisen. Das kann bei Älteren zuerst mal unangebracht wirken, vor allem wenn sie es am Ende nicht besser können. 


HM: Die Frage ist auch: Muss eine junge Person, die gerade eine Arbeit zum ersten Mal macht, denn wirklich das Hintergrundwissen haben? Oder reicht es, wenn sie es hauptsächlich bedienen kann? Denn das war ja früher auch schon so. In jedem Fall ist es wichtig, noch gezielter und differenzierter auf die Mitarbeitenden zu schauen. Dafür muss ich mir als Führungskraft auch Zeit nehmen.

RM: Und, wenn ich Digitalisierungsprojekte starte, würde ich das auch mit den Jüngeren zusammen machen. Denn das sind die, die diese Strukturen später übernehmen müssen. Da lohnt es sich, deren Sichtweise miteinzubeziehen. Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass man Projektgruppen mit verschiedenen Altersgruppen oder auch mit Beteiligten aus verschiedenen Hierarchieebenen macht, die dann aber eher nur die Sichtweise verschiedener Nutzer*innen repräsentieren. Zu wissen, wie man auf struktureller Ebene ein Unternehmen digitalisiert, kann ich von einem*r 16-jährigen Auszubildenden nicht erwarten. 

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